Unsere Beitragsreihe rund um ein agiles Transformationsprojekt wird fortgesetzt – heute zu der Frage, wie sich eine (agil) transformierte Organisation mit dem Einsatz von Fremdpersonal verträgt – und welche Best-Practice-Ansätze helfen, Haftungsrisiken zu vermeiden.
Der „Klassiker“: die bunt gemischte IT-Abteilung
In vielen Unternehmen existierte jedenfalls in der Vergangenheit keine klare Trennung zwischen eigenen Arbeitnehmern, überlassenen Arbeitnehmern und Dienstleistern auf Werk- oder Dienstvertragsbasis.
Vielmehr war eine weit verbreitete Praxis darauf gerichtet, alle personellen Ressourcen zusammenarbeiten zu lassen; aus Unternehmenssicht waren Werk- und Dienstleistungsunternehmen schlicht ein Baustein in der Ressourcengewinnung: Bestimmte Tätigkeiten – insbesondere im IT-Bereich – waren schlicht nicht über Arbeitnehmerüberlassung zu besetzen; die Nutzung gerade von Werkvertragen besaß den zusätzlichen Charme einer Gewährleistungshaftung.
Dass eine solche Praxis nicht im Einklang mit der arbeitsrechtlichen Rechtslage steht, dürfte mittlerweile Allgemeingut sein. Die Risiken einer Fortsetzung der gelebten Praxis sind enorm:
- von dem ungewollten Onboarding (verdeckter) Arbeitnehmer über Scheinwerk- oder Scheindienstverträge
- über Bußgelder für AÜG-Verstöße und Equal-Pay-Risiken
- bis hin zur Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und entsprechende strafrechtliche Verantwortlichkeit der Vertretungsorgane des Arbeitgebers.
Agile Transformation schützt nicht vor Haftung!
Insoweit sollten wir zunächst mit einer verbreiteten Fehlvorstellung aufräumen: Die Transformation in ein agil arbeitendes Unternehmen ist kein Lösungsansatz, um bestehende Compliance-Defizite im Bereich der Beschäftigung von Fremdpersonal aufzulösen! Nur weil es gelungen ist, einheitenübergreifende Teams oder Squads zu bilden oder Einheiten virtuell neu zu verklammern, ist dies keine Einladung für ein Modell „anything goes“.
Vielmehr gilt: auch und gerade in einer Arbeitsorganisation, in der nicht stets offenkundig ist, wo Berichtswege und Einheitengrenzen verlaufen, ist es um so wichtiger, eine sauber Trennung zwischen Eigen- und Fremdpersonal umzusetzen und so Haftungsrisiken zu vermeiden.
Integration von Externen in agile Teams?
Ist also beabsichtigt, Externe in agilen „Squads“, „SCRUM-Teams“ oder vergleichbaren Einheiten mitarbeiten zu lassen, muss sorgfältig differenziert werden:
- Bei echter Arbeitnehmerüberlassung gilt nichts anderes, als würde der Arbeitgeber eigene Arbeitnehmer einsetzen: er „kauft zusätzliche Kapazität ein“. Diese kann er auch bestehenden Organisationseinheiten zuweisen, ob agil organisiert oder nicht. In der Praxis ist Arbeitnehmerüberlassung aber häufig kein sinnvoller Gestaltungsansatz im Zusammenhang mit agilen Arbeitsweisen: Equal Pay und Equal Treatment bringen zuviel Komplexität mit sich.
- Eine Integration von Externen auf Basis von Dienst- und Werkverträgen wird in aller Regel hingegen unzulässig sein: Bei dem Best Practice-Modell eines „Brückenkopfes“ (Single Point of Contact/SPOC, auch „River Bridge-Modell“ genannt) bestimmen Arbeitgebers externer Dienstleister jeweils einen projektverantwortlichen Ansprechpartner, über den fachliche Weisungen erteilt werden. Dieses Vorgehen lässt sich nicht risikofrei mit einem sich selbst organisierenden Team vereinen, in dem sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Fremdpersonal eines Werkunternehmers oder Dienstleisters angesiedelt sind. Vielmehr droht hier ein starkes Indiz für eine betriebliche Integration der Externen.
- Nur in begrenzten Ausnahmefällen (z.B. Coachingtätigkeiten) kann daher ein Externer in agile Organisationseinheiten „mit eingeschlossen“ werden. Im Übrigen kann eine agile Organisation rechtssicher mit Externen zusammenarbeiten, indem eine sortenreine Trennung von „rein-internen“ und „rein-externen“ Teams erfolgt. Diese arbeiten jeweils mit den von Arbeitgeberseite gewünschten agilen Methodiken, kommunizieren jedoch nur über das Brückenkopfmodell miteinander.