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Immunitätsausweis: Möglichkeiten und Risiken für Arbeitgeber

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Er ist vorerst vom Tisch. Doch die Debatte um die Einführung eines sog. Immunitäts-Passes/Immunitätsausweises geht weiter. Das Für und Wider wird aktuell heftig in der Politik und den Medien diskutiert. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) um Gesundheitsminister Jens Spahn hat die Frage zunächst dem Ethikrat vorgelegt. Doch für den Minister geht es nicht um das „Ob“, sondern „Wann“ und „Wie“ der Immunitätsausweis eingeführt wird. Dieser Beitrag gibt einen Ausblick auf jene arbeits- und datenschutzrechtliche Fragestellungen, mit denen Arbeitgeber sich auseinandersetzen müssen, sollte der Immunitätsausweis Wirklichkeit werden.

Hintergrund des Vorstoßes

Mit dem am 23.05.2020 in Kraft getretenen „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurden weitere Neuerungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschlossen. Neben der Einführung einer „Corona-Prämie“ von bis zu EUR 1.000 für Beschäftigte in der Pflege wurde die Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs nach § 56 Absatz 5 IfSG auf Entschädigung für Verdienstausfälle infolge von Tätigkeitsverboten, Absonderungen oder dem Wegfall der Betreuungseinrichtungen von drei (vgl. bisherige Fassung des § 56 Absatz 11 IfSG) auf zwölf Monate verlängert.

Der von BMG ebenfalls geplante Immunitätsausweis hat seinen Weg ins Gesetz nicht geschafft. Am 29.04.2020 war laut einer Pressemitteilung des BMG beabsichtigt, dass sich künftig Personen, die eine COVID-19 Erkrankung überstanden haben, – analog zum Impfpass – ihre Immunität bescheinigen lassen; vorausgesetzt, es sei wissenschaftlich bewiesen, dass nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 Immunität bestehe und man niemanden mehr anstecken könne. Dies solle es ermöglichen, Schutzmaßnahmen zielgenauer zu ergreifen. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah dementsprechend die Einführung des folgenden § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSchG vor:

„Soweit von individualbezogenen Maßnahmen abgesehen werden soll oder Ausnahmen allgemein vorgesehen werden, hat die betroffene Person durch eine Impf- oder Immunitätsdokumentation nach § 22 oder ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, dass sie die bestimmte übertragbare Krankheit nicht oder nicht mehr übertragen kann.“

Datenschützer schlagen Alarm

Die Informationen, ob eine Person mit COVID-19 infiziert ist/war und ob diese Person nach einer Erkrankung gegen eine Neuansteckung immun ist, stellen medizinische Befunde dar. Diese fallen unter die besonders sensible Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Zugriffe auf diese Daten sind mit gravierenden Grundrechtseingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Form des Rechts auf informelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verbunden. Datenschützer kritisieren daher die Einführung eines Immunitätsausweises. Für die Beurteilung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung eines solchen Immunitätsausweises ist zunächst zwischen einer freiwilligen Preisgabe und einer gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentation bzw. (weitergedacht und auf das Arbeitsverhältnis übertragen) eine vom Arbeitgeber verlangte Preisgabe dieser Gesundheitsdaten zu differenzieren.

Infolge des Corona-Shutdowns sind Arbeitgeber nun gezwungen, Maßnahmen zu entwickeln, um ihren Betrieb wieder hochzufahren und dennoch den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten sicherzustellen (wir haben darüber bereits hier in unserem Blog berichtet). Um den Arbeitsschutz zu gewährleisten, müssen Arbeitgeber ausreichende Vorkehrungen treffen. Einschränkungen der Betriebsabläufe sind dabei unerlässlich. Warum also nicht den Immunitätsausweis (sollte er eingeführt werden) effektiv nutzen und bei den Schutzmaßnahmen zwischen „immun“ und „nicht-immun“ differenzieren? Ähnliche Tendenzen werden aktuell in Großkonzernen verfolgt, wenn über die Durchführung von „Massentests“ für die Belegschaft  bzw. ausgewählte Beschäftigtengruppen nachgedacht wird.

Aber Vorsicht: Eine Verarbeitung der Gesundheitsdaten ist nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO zulässig. Ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer können Arbeitgeber die Informationen daher weder erfragen noch verwenden. Darüber hinaus wäre eine strenge Güterabwägung zwischen den Individualinteressen jedes einzelnen Beschäftigten und den betrieblichen Interessen vorzunehmen. Selbst wenn ein Mitarbeiter die bei ihm festgestellte Immunität unter den hohen Anforderungen der Freiwilligkeit preisgibt, könnten Arbeitgeber – jedenfalls nach aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung – nicht sicher davon ausgehen, dass ein als immun getesteter Mitarbeiter dies tatsächlich ist und/oder auch auf Dauer bleibt. Der Schutz von Leben von Gesundheit der Beschäftigten ist zwingend mit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Gleichbehandlung auch in der Krise

Die Weltwirtschaft befindet sich einer schweren Krise. Doch auch in Pandemiezeiten gelten die arbeitsrechtlichen Grundprinzipien weiter fort. Dies gilt neben dem Arbeitnehmerschutz, insbesondere in Form des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses, auch für das Recht auf Gleichbehandlung. Sollte daher – die datenschutzrechtlichen Probleme einmal außer vor gelassen – ein Immunitätsausweis eingeführt werden, dürfen Mitarbeiter, die eine Immunität nicht nachweisen können, nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden. Dies gilt im gesamten Arbeitsverhältnis vom Bewerbungsprozess über das Recht auf eine angemessene Beschäftigung bis hin zum Kündigungsschutz. Bei Verstößen drohen Arbeitgebern Schadenersatz- der Entschädigungsansprüche.

Fazit

Der Immunitätsausweis ist derzeit noch Zukunftsmusik. Ob er Realität wird, bleibt vorerst abzuwarten. Die mediale Aufmerksamkeit hat er aber jetzt schon. Dennoch birgt er aus arbeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht ein erhebliches Gefahrenpotential. Arbeitgeber sollten in jedem Fall nicht vorschnell agieren und Informationen aus einem solchen Immunitätsausweis in ihr betriebliches Gesundheitskonzept mit aufnehmen. Die sensiblen personenbezogenen Daten dürfen nur in wenigen Ausnahmefällen verarbeitet werden. Eine umfangreiche rechtliche Risikoanalyse im Vorfeld bleibt unerlässlich.

Isabell Flöter

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Isabell Flöter berät Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs- Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppeen "ESG" und "Unternehmensmitbestimmung".
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