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Die Corona-App: Ein Muss oder Kann im Arbeitsverhältnis?

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Die im Auftrag der Bundesregierung am 16. Juni 2020 veröffentlichte Corona-Warn-App verzeichnete bis zum Morgen des 17. Juni 2020 fast 6,5 Millionen Downloads. Gesundheitsminister Jens Spahn spricht von einem „starken Start“ und möchte noch mehr Menschen dazu bringen, die App zu nutzen.
Zahlreiche Arbeitgeber unterstützen dieses Ziel durch entsprechende Aufforderungen an ihre Mitarbeiter. Im Arbeitsrecht stellt sich die Frage: Ist das erlaubt und welche Grenzen gelten?

1. Kann der Arbeitgeber die Nutzung der Corona-Warn-App auf dem Privattelefon verbindlich anordnen?

Eine Anweisung des Arbeitgebers, nach der ein Mitarbeiter die Warn-App auf seinem privaten Telefon installieren und nutzen soll, ist in der Regel nicht zulässig. Zwar kann der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter anordnen, er darf dabei aber nur in Ausnahmefällen auch in den privaten Bereich seiner Mitarbeiter eingreifen. Im Betrieb stehen ihm für den Gesundheitsschutz mildere Maßnahmen, z.B. Abstandsgebot und Maskenpflicht zur Verfügung. Etwas anders kann nur in Berufsfeldern gelten, in denen ein hohes Infektionsrisiko besteht, z.B. bei Ärzten oder Altenpflegern, und mildere Maßnahmen im Einzelfall zur Erreichung des Infektionsschutzes nicht gleich geeignet sind. In solchen Einzelfällen kann die angeordnete private Nutzung unter Umständen zulässig sein.

2. Kann der Arbeitgeber die Nutzung der Corona-Warn-App auf dem dienstlichen Telefon verbindlich anordnen?

Wenn auch bislang jegliche Rechtsprechung sowie konkrete Gesetzgebung zu diesem Thema fehlt, spricht aktuell vieles dafür, dass eine Installation der App jedenfalls auf dem dienstlichen Smartphone einseitig angeordnet werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Telefon ausschließlich dienstlich genutzt werden darf, weil der Mitarbeiter das Telefon nach Dienstende schlicht ausschalten kann und somit kein Eingriff in den privaten Bereich erfolgt. Unabhängig von der rechtlichen Frage, ob der Arbeitgeber einen Mitarbeiter ggf. unter Androhung disziplinarischer Konsequenzen zur Nutzung der App auf dem Diensttelefon „zwingen“ kann, ist natürlich jederzeit ein Hinweis auf die freiwillige Nutzung denkbar. Dem Mitarbeiter dürfen keine Konsequenzen drohen, sollte er sich dagegen entscheiden.

2. Ist der Betriebsrat einzubeziehen?

Ja. Mit § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 87 Abs. 1  Nr. 7 BetrVG und eventuell auch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommen einige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in Betracht. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates greift schon dann, wenn lediglich eine Nutzungsempfehlung ausgesprochen wird, da es auf eine Rechtsverbindlichkeit der Maßnahme nicht ankommt.

3. Ist der Mitarbeiter verpflichtet, eine Warnung der Corona-App zu melden? Darf der Arbeitgeber nachfragen?

Mitarbeiter sind in aller Regel nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre genaue Erkrankung mitzuteilen. In der besonderen Situation einer Covid-19-Erkrankung besteht jedoch ein erhöhtes Schutzbedürfnis der übrigen Belegschaft, sodass sowohl eine Auskunftspflicht des Mitarbeiters als auch ein Fragerecht des Arbeitgebers gegeben ist. Gleiches dürfte auch gelten, wenn die Corona-App vor einem möglichen Risiko warnt. Legt man die Zielsetzung der Corona-App einer verlässlichen Risikobewertung zugrunde, ist der Mitarbeiter schon aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber und ggf. seinen Kollegen gehalten, die Gefahr zu melden. Ob sich dagegen einwenden lässt, dass bei einer App-Warnung noch keine unmittelbare Gefahr im Sinne vom § 16 ArbSchG vorliegt, hängt sicherlich davon ab, wieviel Aussagekraft man dem Algorithmus der App zuschreibt.

4. Hat der Mitarbeiter ein Recht auf bezahlte Freistellung im Falle einer App-Warnung?

Nein. Die Bundesregierung stellt ausdrücklich klar: Eine Warnung über die App stellt lediglich einen Hinweis dar, bescheinigt jedoch noch keine Krankheit oder gar Arbeitsunfähigkeit. Erst bei einem positiven Covid-19-Test darf sich der Arbeitnehmer krankschreiben lassen und hat darauf aufbauend einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Etwas anderes gilt nur im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne anordnet, bei der der Mitarbeiter einen Entgeltfortzahlungsanspruch hat.

5. Fazit

Wenn auch die Download-Zahlen für eine große Euphorie gegenüber der neuen Corona-Warn-App sprechen, wird sich der wahre Nutzen erst dann zeigen, wenn sie möglichst flächendeckend zum Einsatz kommt. Arbeitgeber können – trotz allen rechtlichen Unsicherheiten – aktuell jedenfalls durch einen Appell an die freiwillige Nutzung bei der weiteren Verbreitung der App unterstützen. Mit den Worten des Gesundheitsministers Jens Spahn: „Denn Corona eindämmen, das ist ein Teamspiel.“

Update: datenschutzrechtliche Bedenken

Nach Ansicht des bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht ist eine vom Arbeitgeber vorgegebene verpflichtende Installation datenschutzrechtlich unzulässig.

Kein Beschäftigter dürfe verpflichtet werden, durchgängig seine Kontakte und seinen Gesundheitszustand erfassen zu lassen. Als Begründung wird die Möglichkeit des Arbeitgebers angeführt, mildere Mittel in Form von Hygienemaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls verstoße eine Pflicht des Arbeitgebers gegen die vom RKI in seinen Nutzungsbedingungen festgelegte Freiwilligkeit. Dies gelte sowohl für private, als auch rein dienstlich genutzte Geräte. Das Landesamt nimmt bei einer Verpflichtung durch den Arbeitgeber einen grundlegenden Datenschutzverstoß an, gegen das es auch mit der Verhängung von Bußgeldern vorgehen will.

Auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes scheint dieser Meinung zu sein. In einem Schreiben an Gesundheitsminister Spahn forderte er, in einer etwaigen gesetzlichen Regelung der Corona-App ein gesetzliches Verbot der verpflichtenden Installation zu schaffen und dieses mit Strafandrohung zu bewehren. Dritte (hierzu zählt auch der Arbeitgeber) dürfen seiner Ansicht nach keinen Einblick in die App fordern (Pressemitteilung 12/2020 vom 16.6.2020). Gleicher Meinung ist die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Pressemitteilung vom 16.6.2020).

Auch die Bundesregierung selbst lehnt eine Verpflichtung zur App-Nutzung in den FAQ auf ihrer Webseite ab. Demnach widerspräche ein Zwang zur Nutzung der App durch Arbeitgeber den Prinzipien der DSGVO. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung den Einsatz der Corona-App auf den Einwilligungstatbestand Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO stützt. Eine Einwilligung durch den Nutzer ist aber nur zulässig, sofern sie freiwillig erfolgt, Art. 14 Nr. 11 DSGVO.

Demnach ist es Arbeitgebern derzeit nicht zu empfehlen, Arbeitnehmer zur Installation und Nutzung der App zu verpflichten. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, die Arbeitnehmer zur Installation zu ermuntern – allerdings auf freiwilliger Basis.

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Mit freundlicher Unterstützung von Jessica Tempfli, Referendarin am Standort München.

Katja Giese, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht / Attorney-at-Law (NY)
Partner
Katja Giese berät Arbeitgeber vor allem in Zusam­men­hang mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, der anschlie­ßenden Integration und Umstruk­tu­rie­run­gen. Sie verfügt außerdem über umfassende Erfahrungen im inter­na­tio­na­len Projektmanagement. Katja Giese ist zugelassen als Attorney-at-Law (NY) in den Vereinigten Staaten, wo sie Teile ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn verbrachte. Besondere Branchenkenntnis besitzt sie im Technologiesektor.
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